Inhalt

Der spukende Schreiber

In Nette auf dem Uhdeschen Hofe hat früher einmal der Wohldenberger Amtmann gewohnt. Nachher zog ein Bauer darauf, der hatte zwei Jungen, die im Winter fleißig spinnen mußten, jeden Tag ihr Taal, d.h. eine bestimmte Anzahl Löppe (Gebinde). Die Jungen waren aber manchmal faul und schafften ihr Pensum nicht. Eines Abends, als sie wieder die Zeit vertrödelt und nicht gesponnen hatten, befahl der Vater, sie sollten die Nacht durchspinnen, um das Versäumte nachzuholen.

Im Hause war tiefe Stille, nur die Spinnräder schnurrten. Als aber die Kirchenuhr die Zwölf schlug, klirrten im Stall die Kuhketten, die Haustür klapperte auf und zu. Die Tür der Stube, in der die Jungen spannen, sprang auf, und herein trat ein ganz in Schwarz gekleideter Mann. Der sah so schrecklich aus, daß die beiden Spinner schnell hinter den Ofen flüchteten.

Der Unbekannte setzte sich an den Tisch, zog Papier aus seiner mitgebrachten Tasche, desgleichen eine Gänsefeder und ein Tintenfaß und begann zu schreiben. Ab und an spritzte er mit zornigem Gesicht Tinte an die Wand. Wenn er die Feder iutslenkerte, gab es feurige Funken. Da schlug es auf dem Kirchturm eins. Wieder klirrten die Kuhketten, klappten die Türen, und der unheimliche Schreiber war verschwunden.

Die Jungen, die sich nicht zu rühren gewagt hatten, blieben in ihrer Angst hinterm Ofen hocken, bis am Morgen der Vater in die Stube trat. Sie erzählten ihm, was sich die Nacht zugetragen hatte. Da sagte er, daß ihm sein Großvater einmal folgendes erzählt habe. Der Amtmann, der früher auf dem Hofe wohnte, habe einen Schrieber gehabt, der die Bauern immer betrog, wenn sie die Abgaben brachten. Er fälschte die Rechnungen und nahm ihnen stets zuviel Geld ab, das er in seine eigene Tasche steckte. Dafür müsse er nun nach seinem Tode büßen.