Die Zwerge im Marienberge
In der Ortschaft Jeinsen im Kalenberger Lande war eine Hochzeit. Es ging dabei sehr lustig und fröhlich zu. Wie das so üblich war, mußte auch ein Musikant zum Tanze aufspielen. Er war aus Elze und gehörte zu denen, die nie ins Glas spuckten und immer eine trockene Kehle hatten. Und da ihm immer feste zugetrunken wurde, bekam er bald einen ordentlichen Schwips.
Nach Mitternacht wankte der Musikant mit seinem Rausche nach Hause. Als er am Fuße der Marienburg ankam, versagten die Beine ihm den Dienst. Er konnte nicht mehr weiter, fiel ins Gebüsch und schlief ein. Plötzlich aber wachte er auf. Wie lange er geschlafen hatte, wußte er nicht. Stockfinster war die Nacht. Da hörte er auf einmal einen wundersamen Gesang. Langsam krabbelte er hoch und sah vor sich im Gebüsch eine Höhle, aus der der liebliche Gesang erschallte. Er war zuerst erschrocken, ging dann aber doch einige Schritte in die Höhle hinein. Wie erstaunte er, als er einen großen Saal erblickte, der von lauter Gold und Silber glänzte, und in dem viele Zwerge lustig nach dem Gesange tanzten. Kurz darauf stand der Zwergenkönig vor ihm und fragte: Wer bist du und wie kommst du hier in unsere Höhle? Als der König hörte, daß der Schwipsbruder ein Musikant war, sagte er zu ihm: Dann kannst du uns ja mal ein Tänzchen spielen. - O ja, recht gern, erwiderte der Spielmann, nahm seine Geige von der Schulter und fiedelte einige lustige Weisen. Die Zwerge fanden das viel schöner und baten ihn, immer noch mehr zu geigen. Da sagte der Musikant: Soll ich mal den Wippetanz spielen? - Was, den Wippetanz? Den mußt du erstmal mit uns einüben. Es dauerte gar nicht lange, da konnten die Zwerge den Tanz, und weil er ihnen so gut gefiel, wollten sie gar nicht aufhören. Immer wieder strich der Musikant den Wippetanz, so viel Spaß hatten sie an ihm. Der Spielmann mußte zum Lohne tüchtig essen und trinken. Und da er Nachdurst hatte, leerte er noch manches Gläschen. Beim Abschied bekam er ein Geschenk vom Zwergenkönig. Er mußte seine Taschen öffnen, und der König tat sie ihm voll mit den Worten: Fasse nicht eher in die Tasche, als bis du zu Hause bei deiner Familie angekommen bist; dann bist du ein reicher Mann.
Der Musikant machte sich nun schnell auf den Heimweg. Unterwegs merkte er, daß es in der Tasche immer schwerer wurde. Gerne hätte er einmal hineingeschaut, aber warnend klang es ihm in den Ohren: Fasse nicht in die Tasche, sonst ist es aus mit deinem Glück. Der Musikant bezwang seine Neugierde und erreichte bald das Stadttor von Elze. Der Torwächter war gerade ein wenig eingenickt. Als er das Klopfen am Stadttor hörte, schrak er auf und schlurfte mürrisch herbei, um zu öffnen. Noch halb im Schlafe erkannte er den Musikanten und fing wütend an zu schelten: Diu versopene Bengel, konnest wenigstens mal utslapen. - Na man langsam, sagte der Musikant. Wotau biste denn da? Bille deck man bloat nix in, diu meinst woll wunner, wat diu bist, wenn diu in dat Tiutehörn piustest und dabei sau dicke Backen mackest, as höre deck dei ganze Welt. Mit meck kannste deck doch nich mäten. Eck kann jetzt ganz Elze köpen. Der Nachtwächter lachte höhnisch: Diu un Elze köpen, diu armer Schlukker? Da fasste der Musikant in die Tasche und wollte seinen Goldschatz zeigen. Als er aber die Hand aus der Tasche zog, hatte er nur ein paar Rossäpfel darin.