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Die Schwefelquelle in Hasede

Aus Giesen einst und jetzt - Beiträge aus den Ortschaften und der Umgebung, Ausgabe 22 / 1987, Autor Johannes Albrecht

Südlich der Toreinfahrt zur Großen Mühle, versteckt in einer kleinen Parkanlage hinter einer etwa 1,50 m hohen, den Hof abgrenzenden Mauer und wenige Meter vom Betonweg entfernt, der zur „Sauerei" führt, befindet sich eine Quelle, die einzigartig ist, weil sie einen Gestank verbreitet, der faulen Eiern gleicht.

In unserer Zeit wird sie kaum noch beachtet. Als sie aber im Jahre 1524, kurz nach der Hildesheimer Stiftsfehde, zum Ausbruch kam, war das für die damalige Zeit eine Sensation, die nicht nur im Fürstentum Hildesheim, sondern auch weit darüber hinaus große Beachtung fand. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der berühmte sächsische Naturforscher, Schöpfer der Mineralogie (Gesteinskunde) und des rationellen Bergbaus in Deutschland, Georg Agricola (eigentlich Bauer) Interesse an der Schwefelquelle zeigte, sie untersuchte seine Ergebnisse in seinen „Mineralogischen Schriften" veröffentlichte.

Agricola ist am 24.März 1490 in Glauchau geboren, war von 1524 bis 1534 Arzt in Joachimsthal, ging nach verschiedenen Aufenthaltsorten 1551 nach Chemnitz, wurde hier Bürgermeister und starb in dieser Stadt am 21. November 1555. Ab 1530 erschienen seine noch heute bekannten, in lateinischer Sprache abgefassten Werke, wie „De re metallica“ und „De natura fossilium („Über die Natur der Fossilien" - der versteinerten Lebewesen).

Diese Schriften regten den Arzt F. A. Meyer an, ebenfalls die Haseder Quelle zu untersuchen. Was er entdeckte, beschreibt er in seinem Buch „Friedrich August Meyer, der Arzneywissenschaft Doktors Beschreibung des Schwefelwassers zu Hasede unweit Hildesheim." Das 111 Seiten starke Buch hatte, wie Cramer angibt, schon um 1790 Seltenheitswert. Aber der Haseder Pastor Dr. F. Gatzemeyer fand es um 1905 im Besitz von Theodor Engelke in der Großen Mühle und konnte daraus die wesentlichen Angaben über die Quelle auszugsweise abschreiben und der Nachwelt überliefern.

Der dritte Wissenschaftler, der über die Schwefelquelle schrieb, war der schon oben erwähnte Joseph Anton Cramer, Professor an dem fürstlichen Gymnasium zu Hildesheim (Josephinum). Sein Buch „Physische Briefe über Hildesheim und dessen Umgebung“, 1792 in Hildesheim gedruckt, bringt im 7. und 8. Brief nur wenige neue Erkenntnisse über die Quelle. Immer wieder zitiert er Agricola und Meyer und scheut sich auch nicht, aus ihren Büchern ganze Passagen abzuschreiben. Dennoch gebührt ihm das Verdienst, dass durch sein Buch, das 1976 im Faksimiledruck nur im Verlag Gebr. Gerstenberg, Hildesheim, erschienen ist, zur Verbreitung der Kenntnisse über Haseder beigetragen hat.

Was berichten nun die Autoren über das eigenartige Naturwunder? Sie beschreiben seine Lage, loben den in der Umgebung liegenden guten Töpferton und sprechen dann von dem „Brunnen". Nach Angaben von Meyer ist er 1775 von eichenen Bohlen eingefasst und etwa 1,50 m im Quadrat groß und knapp einen Meter tief. Im Grunde entdeckt man vier Quellen, von denen die eine ihr Wasser mit solcher Gewalt hervor treibt, dass kleine Steine empor gewirbelt werden.

Heute ist das nicht mehr zu sehen, da die Quelle eine Betoneinfassung bekommen hat.

Das kristallklare und sehr kalte Wasser, das nach Westen zur Innerste hin abläuft, tritt in einer außerordentlichen Menge hervor. Meyer gibt an, dass in einer Minute 28 Eimer voll Wasser, jeder 30 bis 32 Pfund fassend, hervorkommen. Das sind 420 Liter. Diese Wassermenge tritt zu allen Jahreszeiten aus der Erde, auch an den kältesten Wintertagen. Das Wasser ist so hart wie jedes andere Quellwasser und wurde bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts von den Mühlenbewohnern als Trinkwasser und zum Waschen benutzt. Wegen des schwefligen Geruchs und Geschmacks wurde es vom fremden Vieh verabscheut, aber das Vieh des Müllers soff es.
Mensch und Tier im Mühlenbereich hatten sich daran gewöhnt. Setzte man aber Fische in den Brunnen, fielen sie augenblicklich zur Seite und starben, wenn sie nicht gleich in anderes Wasser kamen.

Aber 100 Schritt von der Quelle entfernt konnten im Karpfen und Aale leben aufbewahrt werden. Eine junge Ente, die man auf das Wasser gesetzt und leicht befestigt hatte, bekam nach kurzer Zeit ein kränkliches Aussehen, ließ die Flügel hängen , zitterte und schlug den Kopf hin her. Als man sie nach einer Stunde aus dem Wasser nahm, taumelte sie, fiel von einer Seite auf die andere - aber nach 15 Minuten war sie wieder vollkommen munter. - Man sieht an dieser Berichterstattung, dass es schon vor mehreren Jahrhunderten Tierversuche gab.

Weiter wird angegeben: Der Geruch nach faulen Eiern ist bei Windstille und klarer Luft auf 6 bis 8 Schritt Entfernung wahrzunehmen, bei feuchter Witterung schon auf 30, 40 Schritt. Der Geschmack entspricht dem Geruch. Lässt man aber ein Gefäß mit dem Wasser längere Zeit in der Sonne stehen, dann verliert sich sowohl der Geschmack als auch der Geruch.

Aus verständlichen Gründen kann in diesem Artikel nicht näher auf die chemische Zusammensetzung des Wassers eingegangen werden. Nur dieses muss man sagen, dass neben dem Schwefelgehalt nur relativ wenige Mineralstoffe gegenüber den anderen Schwefelquellen im Taunus und anderswo vorhanden sind. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass das Haseder Schwefelwasser seinen Ursprung nicht in tiefliegenden Erzlagern hat, sondern aus der schwarzgrauen Schicht des Posidonienschiefers stammt, die von Walshausen über Itzum, Steuerwald bis nach Hasede verläuft, wie Senator Roemer im vorigen Jahrhundert feststellen konnte. Diese versteinerte Faulschlammschicht, die Reste von Pflanzen und Tieren ehemaliger Meeresbuchten, stammt aus der unten Jurazeit und hat ein Alter von rund 150 Millionen Jahren. Der chemische Umsetzungsprozess sorgte also für die Bildung von Schwefel, der im Wasser der Haseder Quelle zum Vorschein kommt.

In früherer Zeit soll es auch Schwefelquellen in Steuerwald und Itzum gegeben haben, und es wird behauptet, dass sogar an einer Stelle im Giesener Teich Schwefelwasser aus der Tiefe kommen soll.

Der Mangel an Mineralstoffen im Schwefelwasser bei der Großen Mühle ist der Grund dafür, dass Hasede kein Kurort geworden ist, was dem Dr. Meyer und vielen anderen im 18. Jahrhundert und später als wünschenswert erschien.

Dennoch ist es das kristallklare Wasser wert, dass man es einmal kostet und dabei seinen typischen Duft durch die Nase zieht.

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