Inhalt


Das grüne Refugium

Das Haus an der Gronauer Str.12 bewohnt eine Wohngemeinschaft, deren Mitglieder sich vor vielen Jahren in das schöne alte Fachwerkhaus verliebten und folglich alle Hebel in Bewegung setzten, stolze Hausbesitzer zu werden. Hans Fabian Schimmelpfennig alias Spielmann Giacomo erzählt, wie das gelang und welche Bewohner das Grundstück einst außerdem bevölkerten.

Genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls waren wir – die erste Wohngemeinschaft in Eddinghausen – keine Städter, die den grauen Mauern entflohen, um eine Landkommune zu gründen. Vielmehr hat uns in den 1980ern das Schicksal in dem schönen alten Fachwerkhaus von Helmut B. zusammengewürfelt; dem Haus an der Gronauer Straße, in dem einige von uns heute noch leben.

So gingen wir zum Vermieter ins Nachbarhaus und baten darum, das Haus kaufen zu dürfen. Helmuts Antwort: „Geht nicht, verkaufen kann man nur ein Mal.“ Diese Philosophie Helmuts kannten wir bereits. Anstandslos lieh er uns stets alles und jedes. Aber verkaufen? Geht ja nur einmal!

Wir teilten ihm mit, dann würden wir uns anderenorts Eigentum suchen. Helmuts Antwort: „ Das geht erst recht nicht, ich brauche euch hier als Nachbarn. Helmut – inzwischen leider verstorben – war ein Original: ein eigenwilliger, teils skurriler Mensch, stets freundlich, humorvoll und hilfsbereit. Viele Eddinghäuser Dorfabende belebte er mit Akkordeonspiel und Gesang. Auch das legendäre Enten-Treffen war ein Produkt seiner Fantasie und Kreativität: Einige Jahre lang trafen sich auf Helmuts Wiese in der Dorfmitte 2CV-Freunde und -Schrauber aus ganz Deutschland.

Doch zurück zur Geschichte: So sollte es sein – wir würden Hausbesitzer werden! Wir kratzten zusammen, was wir hatten. Es gab Bausparverträge, sonstige Ressourcen … Wir bekamen den Kaufpreis zusammen und konnten einen Kredit bei der Bank vermeiden. Nachdem sämtliche Formalitäten beim Notar abgewickelt waren, saßen wir in unserer Gemeinschaftsküche. Wie es sich gehört, gab der Verkäufer einen aus. Und zwar heftig. Im Verlauf des Abends teilte Helmut uns mit: „Wer im Dorf Haus- und Grundbesitz hat, der stellt ein Familienmitglied in die Freiwillige Feuerwehr.“ Alle Blicke richteten sich sofort auf mich. „Mach du das, du kannst am meisten trinken.“ So wurde ich Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Sehr bald stellten sowohl das Dorf als auch wir fest: „Die trinken Bier und spielen Skat wie wir auch, nur mit unterschiedlichen Haarlängen“ (damals!). Alsbald war die Phase des kritischen gegenseitigen Beäugens beendet und wir verschmolzen mit der Dorfgemeinschaft.

Im Schuppen unseres Hauses wurden Kaninchen angesiedelt. Zudem gab es alte, leer stehende Ställe im Nachbarhaus (inzwischen abgerissen). Dort wurde ein Hühnerzwinger installiert. Am selben Ort befanden sich die Schweinebuchten der ehemaligen Landarbeiter des Gutes. Dort zogen Wotan und Wanfried ein: Als Ferkel erwarben wir sie im März von Herrn B. aus Betheln. Ihre Nahrung bestand hauptsächlich aus Speiseabfällen, die der Wirt des Balkangrills in Gronau freundlicherweise für uns sammeln ließ. Dieses „Kraftfutter“ aus Reis, Krautsalat und Fleisch, viel Fleisch, ließ die Tiere bis November auf vier Zentner wachsen! Ein Hausschlachter setzte diesem sensationellen Wachstum ein Ende.

Unterdessen waren noch Schafe, Puten und Enten dazugekommen. Wir hatten ja Zeit – damals waren wir alle studierend oder arbeitslos. Doch irgendwann, kurz vor Weihnachten, meldeten sämtliche Wohngemeinschaftsmitglieder Urlaubs-, Reise- oder sonstige Abwesenheitspläne an. Und wer sollte sich um die Tiere kümmern? Die Hühnerfrage löste der Marder, unkontrollierte Hunde schafften die Schafe ab. Enten, Puten, Kaninchen und Schweine verwandelten sich nach und nach in Braten, Speck, Wurst und Schinken.

So leben die Reste der ersten Eddinghäuser Land-WG noch heute im Dorf und ernähren sich von Fleisch aus dem Supermarkt.

(erzählt von H. F. Schimmelpfennig)

Seinen Reiz haben Haus und Grundstück bis heute nicht verloren. Wer den schönen Garten einmal näher in Augenschein nehmen möchte, kann das im Rahmen des Projekts „Offene Gartenpforte“ tun.