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Kein Backhaus ohne Brauhaus

Dass der Traum vom Backhaus in Eddinghausen in den kommenden Jahren in Erfüllung gehen wird, ist für die Kleehuser eine ausgemachte Sache. Für sie ist nicht nur ein geeigneter Platz im Dorf gefunden worden, sondern sie haben es schon vor Augen und im Geiste mit Leben gefüllt. Und sie denken schon viel weiter ...

Wir befinden uns im Jahre 2030 n. Chr. Ganz Gronau ist von einer folgenschweren Bauflaute bedroht ... Ganz Gronau? Nein! Ein von unbeugsamen Eddinghäusern bevölkertes Dorf hört nicht auf, der Rezession Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die benachbarten Skeptiker, die als Beobachter in den befestigten Lagern Betheln, Haus Escherde, und Kleinbonum – ja sogar in Eddinghausen selbst – liegen ...

Zwischen Ehrenmal und Kinderspielplatz, mitten auf der grünen Wiese – im Herzen von Eddinghausen – steht ein kleines, schnuckeliges Fachwerkhäuschen mit grünen Sprossenfenstern und einem hübsch gestalteten Vorgarten, in dem sich Bienen auf den Wildblumen und Rosen tummeln. Aus dem hohen Schornstein des Steinanbaus steigt Rauch auf.

Was das ist? Natürlich das Backhaus in Eddinghausen!

Im Backhaus ist was los …

Drinnen geht es geschäftig zu: Ein Dutzend Frauen, Männer und Kinder stehen an einem großen Edelstahltisch, formen runde Teigteile und legen sie auf ein vorbereitetes Brett. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird gegackert und herumgealbert. Ein kleiner runder Mann mit schlohweißem Haar, der Methusalix von Eddinghausen, begutachtet mit kritischem Gesichtsausdruck ein loderndes Feuer durch das geöffnete gusseiserne Türchen. Er legt noch zwei kleine Buchenscheite nach und ruft etwas unbefriedigt in die Runde: „Ddddas kann noch dddauern!“

Die Blonde mit dem Pferdeschwanz und der roten Schürze – die Initiatorin des Backhaus-Projektes – lacht: „Dann frühstücken wir eben erst mal!“ Es ist nämlich bereits 11 Uhr, und die Helfer, die seit 7 Uhr im Einsatz sind, haben mächtig Hunger. Klein Anna, die keine Sekunde von ihrer hübschen Mama aus den Augen gelassen wird, weil sie es so witzig findet, ihren Zeigefinger tief in die Teigrohlinge zu bohren, um zu beobachten, wie schnell sich die Teigmasse wieder zurückbildet, rennt beim Stichwort „Frühstück“ wie der geölte Blitz zum Kühlschrank. Darin stehen die vorbereiteten leckeren Wurst- und Käseplatten, das weiß sie genau. Doch die große Frau aus Betheln mit der Brille hat den Kühlschrank schon aufgemacht und befördert die Leckereien mit lässiger Geschäftigkeit auf den Tisch im benachbarten Gemeinschaftsraum. Hier setzen sich nun alle hin, um gemeinschaftlich zu frühstücken.

Was zuvor geschah …

Damals, als die kleine, aber starke Dorfgemeinschaft im wildromantischen Eddinghausen einen Ort der Begegnung plante, weil sie nach dem Verkauf des Feuerwehrhauses keinen Raum mehr hatte, wo man sich treffen konnte, brachten sich Menschen tatkräftig in das Backhaus-Projekt ein, die bis dato ganz stillschweigend und unauffällig in Eddinghausen gewohnt hatten. Plötzlich lernte man seine langjährigen Nachbarn neu kennen, selbst die weiter entfernten aus Betheln und Haus Escherde. Plötzlich wusste man, wer Bagger fahren und wer Pflastersteine setzen kann, wer geschickt Lehmwände hochzieht, wer sich auf geschmackvolle Inneneinrichtung versteht, und dass unser Methusalix gelernter Bäcker ist und die hohe Kunst des Sauerteigs beherrscht! Und plötzlich kamen auch Interessierte aus Betheln und Haus Escherde über den Berg gefahren, um mitzuwirken.

Zunächst wurde im Jahre 2018 über den Dorfpflege Betheln-Eddinghausen-Haus Escherde e. V. der „Arbeitskreis Backhaus“ ins Leben gerufen. Doch bald trennte man sich vom Mutterschiff Dorfpflege und gründete einen eigenen Verein: Dessen Name, „Das Kleehus e. V.“, spielt auf das Wappen von Eddinghausen mit den drei vierblättrigen Kleeblättern an und wurde bald um den Zusatz „Backhaus“ ergänzt. Der frisch gebackene Verein setzte unglaubliche Energien frei. Alle waren Feuer und Flamme – vielleicht weil ein eigenes Projekt nach gemeinschaftlichen Vorstellungen immer besser ist als ein von der Stadt Gronau vorgesetztes Gemeinschaftshaus.

Aktionen von A wie Aalschmaus bis W wie Weihnachtsbacken

So konnte das eigens geplante Backhaus mithilfe großzügiger Sponsoren und unbürokratischer Unterstützung der Samtgemeinde Leinebergland sowie unzähliger Stunden an Eigenleistung schnell gebaut und bereits im Jahr 2022 zur 1000-Jahr-Feier in Betheln eingeweiht werden. In den vergangenen acht Jahren wurden hier schon viele tolle Gemeinschaftsaktionen verwirklicht, zahlreiche auch in Zusammenarbeit mit der Dorfpflege: Es gibt regelmäßige Backtage, Weihnachtsbacken mit Kindergärten und Grundschulen, „Räucheraal für alle“ (einzigartig in der Samtgemeinde!), diverse Infoabende und Aktionstage zu Themen wie „Rund ums Korn“, „Naturgarten leicht gemacht“, „Brotbacken mit alten Getreidesorten“ und mehr.

Außerdem finden im Kleehus etliche Vereinsveranstaltungen statt, wie zum Beispiel der Naturerlebnistag für Kinder, das alljährliche Weinfest mit Zwiebelkuchen, die Public-Viewing-Reihe, das traditionelle Kartoffelfest, der Adventskaffeeklatsch mit selbst gebackenen Stollen für die Senioren. Das alles hat die Dreidörfergemeinschaft Eddinghausen, Betheln und Haus Escherde enorm gestärkt, sodass man im Rückblick auf die Geschichte der einstigen Gemeinde frech behaupten kann: Was Feuerwehr und Politik nicht geschafft haben, hat der dynamische Backhaus-Verein erreicht.

Wo ein Backhaus steht, kann auch ein Brauhaus stehen!

Und heute, 2030? Sind die Eddinghäuser total übergeschnappt, weil neben dem Backhaus der lang ersehnte Braukeller endlich fertiggestellt wurde. Seit gut vier Monaten wird dort „Glücksbier“ gebraut – natürlich ebenfalls in Anlehnung an das Eddinghäuser Wappen mit dem Kleeblatt! Unbekannt sind die Zutaten dieses überaus süffigen Bockbiers; der alte Braumeister will sie nicht preisgeben. Tatsache aber ist: Wer das Glücksbier trinkt, lächelt unentwegt in sich hinein und erträgt mit einer verzückten Gelassenheit die selbst gedichteten Lieder des Eddinghäuser Barden.

Doch zurück zu unserer Szene vom Anfang:

Gegen 14 Uhr sind die Vorbereitungen für das Festmahl fast abgeschlossen. Der Wildschweinbraten schmort längst im Backofen. Mittlerweile sind auch die Herren vom Kleeblatt und der Braugruppe eingetroffen. Gestern mussten sie bei brütender Hitze das Zelt auf der Terrasse aufbauen, weil das traditionelle und beliebte „Wildschweinbraten-Fest“ eine Vielzahl von Teilnehmern aus der Region anzieht. Und es passen eben leider nur 25 Menschen in den Gemeinschaftsraum …

Endlich können auch die – natürlich kleeblattförmigen! – Brote in den Holzbackofen geschoben werden. In einer guten Stunde werden sie fertig sein. Schon jetzt breitet sich ein wunderbarer Duft im Backhaus aus, sodass nicht nur Klein Anna das Wasser im Mund zusammenläuft. Alle freuen sich auf das großartige Fest. Einzig der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Eddinghäuser Barde schmollt ein wenig. Er darf nämlich heute Abend nicht sein eigens komponiertes Lied „Brauen für die Sauen“ vortragen, weil er – natürlich kennen alle das Ende der Geschichte! – dem Festmahl gefesselt und geknebelt beiwohnen wird.

Eine Geschichte aus Eddinghausen, verfasst von Susann Selbach