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Sagen und Geschichten

In Schlewecke erzählt man sich so manche amüsante Geschichte. Robert Linde und Karl Müller haben viele davon gesammelt. Hier eine kleine Auswahl, in der man u.a. vom längst verschwundenen Bahnhof und einer abenteuerlichen Reise per Zug erfährt.

Der Bahnhof von Schlewecke

Wenn man eintrat, war gleich rechts die Theke. Dahinter an der Südwand stand eine Vitrine mit Gläsern, wie sie in Gaststätten oft zu sehen ist. Links von der Vitrine stand der Ofen, links vom Ofen war die Tür zum Dienstraum und in der Tür der Fahrkartenschalter. Drei Tische gab es, zwei an der Ostwand gegenüber vom Eingang, einen nach Westen hin bei dem zweiten Fenster. Vor der Theke an der Westwand neben der Eingangstür stand ein Automat, aus dem man für einen Groschen eine kleine Tafel Schokolade ziehen konnte. Bei gutem Wetter lud eine Laube links vom Bahnhofsgebäude zum Umtrunk in der freien Natur ein.

Das Bier, Hein-Bräu, bezog die Bahnhofsgaststätte aus Bockenem. Es wurde mit Pferd und Wagen angeliefert, wie bei Winkelvoß und Wolter in Schlewecke und Philipps in Werder und vielen anderen Gatstätten auch. Der Bierkutscher war verpflichtet, in jedem belieferten Krug ein Glas Bier und einen Schnaps zu trinken. Wenn er zum Schlewecker Bahnhof kam, hatte er für gewöhnlich bereits allerhand intus. Das war nicht weiter schlimm, seine Pferde kannten den Weg auch allein.

Die Pellkartoffeln

Vor dem 1. Weltkrieg: Eine Frau aus Schlewecke ist mit der Bahn verreist. Ihrem Heinrich hat sie gesagt, wann sie wieder nach Hause kommt, und dass er sie auf dem Schlewecker Bahnhof abholen soll: ,,Mit dem Mittagszug bin ich wieder da. Zum Mittagessen koche ich Pellkartoffeln."

Heinrich ist zur rechten Zeit auf dem Bahnhof und wartet auf dem Bahnsteig. Seiner Frau ist aber unterwags eingefallen, dass der Zug in Schlewecke nicht hält. Als er durch den Bahnhof fährt, ruft sie aus dem Fenster ihrem Mann zu: ,,Heinrich, setz die Pellkartoffeln auf! Ich sause durch!"

Die Wirtin von Schlewecke

Auf dem Wege vom Wohldenberg nach Schlewecke liegt der ,,Crammhagen". Hier geht nachts eine Wirtin aus Schlewecke um, weil sie zu Lebzeiten nicht ehrlich gewesen ist und ihren Gästen nicht zukommen ließ, was recht war. Nun kann sie keine Ruhe im Grabe finden. Schauerlich hört man sie reuevoll rufen: ,,Zapft voll! Tut recht!"

Zwerge im Erbsenfeld

Den Zwergen wird nachgesagt, dass sie diebisch sind. Eine besondere Vorliebe haben sie für Erbsen. Wenn in der Nähe ihrer Höhle ein Erbsenfeld ist, kann man sicher sein, dass die Zwerge die Erbsenschoten stehlen.

Nun hatte einmal ein Bauer aus Schlewecke ein Erbsenfeld, das ihm fast jede Nacht bestohlen und zertreten wurde. Er mochte Wache stellen, soviel er wollte, alles war vergebens. Da sagte ihm der Nachbar, dem er seine Not geklagt hatte: ,,Das tun gerwiss die Zwerge. Nimm ein langes Seil und zieh es rings um das Erbsenfeld; darauf knalle plötzlich mit der Peitsche und klappre und lärme. Dann erschrecken sie und laufen aus den Erbsen fort, rennen blindlings gegen das Seil, das dem einen oder anderen dabei den Wünschelhut vom Kopfe reißt. Den Zwerg könnt ihr dann sehen und fangen."

Der Bauer tat, wie ihm der Nachbar geraten hatte. Und richtig, die von dem Lärm erschreckten Zwerge stürzten Hals über Kopf aus dem Erbsenfeld. Es gelang ihm, zwei von ihnen zu fangen. Sie bettelten und flehten, der Bauer möchte sie doch laufen lassen, aber er wollte nicht. Da versprachen sie ihm ein Fuder Gold, er müsse aber vor Sonnenaufgang kommen und es holen.

Dieser Vorschlag gefiel dem Bauern, und er gab den einen Zwerg frei. Den anderen aber fragte er: ,,Wann geht bei euch die Sonne auf?" Der Zwerg wollte erst nicht Rede stehen. Als der Bauer aber drohte: ,,Ich sperre dich ein!", da antwortete er: ,,Um zwölf!" - ,,Danke schön!", sagte der Bauer und ließ ihn los, ,,ich werde mich zur rechten Zeit einfinden."

Er redete indes in den Wind; denn der zweite Zwerg war gleich dem ersten wie der Blitz verschwunden. Der Bauer eilte seinem Hofe zu und ließ den Knecht anspannen. Mit einem vierspännigen Wagen fuhren sie zur Höhle, in der die Zwerge hausten. Als sie anhielten, hörten sie, wie drinnen die Zwerge jubelten und sangen:

"Dat is giut, dat is giut, dat dat Buerken dat nich weit, dat de Sunne Klocke twölwe upgeiht."

Vergnügt lachte der Bauer, da er es ja wusste, und klopfte an, als die Kirchenglocke Zwölf schlug. Die Zwerge öffneten ganz verdutzt, dann aber sagten sie, weil er sich zur rechten Zeit eingestellt habe, solle er das Versprochene haben. Sie zeigten auf die Hinterlende eines abgeschundenen Pferdes, die da am Weg lag, und waren verschwunden.

Wie hat da der Bauer in seinem Ärger geflucht und geschimpft, dass ihn die Zwerge angeführt und betrogen hatten! Er befahl dem Knechte: ,,Fahre zum Hof!" Der Knecht aber sagte, er wolle doch für die Hunde ,,en Flatschen" von der Pferdelende abschneiden. Er tat es und warf das Stück Fleisch auf den Wagen. Als sie darauf zu Hause ankamen und der Knecht die Hunde mit dem Pferdefleisch füttern wollte, war es in einen Goldklumpen verwandelt. Schnell fuhren Bauer und Knecht zurück, um das abgeschundene Pferd zu holen. Allein sie mussten heimkehren, es war nicht zu finden.

Auch von Heinrich Lobes gibt es zahlreiche Geschichten wie z.B. diese:

Heimweh

War wieder in der alten Heimat im lieben Ambergau,
dort kenn ich aus meiner Jugend noch vieles recht genau.

Gar manches hat sich verändert seit meiner Kinderzeit,
wie liegt das alles so ferne und doch für mich bereit.

Kenn noch alle Ecken und Winkel, wie ich sie früher geseh'n,
was ist nun seit 70 Jahren im Heimatdorf gescheh'n?

Mach altes Haus noch erhalten, so wie ich es einstmals erschaut,
viel neue hinzugekommen, modern und praktisch gebaut.

Sah noch die große alte Kirche wie oft ging ich einstmals
hinein, an der Straßenecke die Schule mit dem ersten Lehrer mein.

Stand oben hoch auf dem Berge, schaut weit hinunter ins Tal,
die grünen Wälder und Fluren erfreuten mich allemal.

Einst hatt' ich hier viele Bekannte, ich finde sie nicht mehr,
sind längst zur Ruh' gegangen, das Herz wird mir so schwer.

Werd dir die Treue halten, so lange mir die Sonne noch scheint,
in stillem, treuem Gedenken sind wir zeitlebens vereint.